Friedensrepräsentationen
Braunschweiger Friedensbrief, HB 21839, Kapsel 1220

User login

Objekt
Objektart
Druckgraphik
Titel/Incipit
Braunschweiger Friedensbrief
Inventarnummer/Signatur
HB 21839, Kapsel 1220
Verwalter
Verwalter (Ort)
Herstellung
Hersteller
Herstellerrolle
Stecher
Herstellungsort
Technik
Kupferstich
Radierung
Kolorierung
Material
Aquarellfarbe
Beschreibstoff
Papier
Datierung
Datum
1763
Messung
Messtyp
Blatt
Messwert (H x B x T)
17,8 x 23,6
Maßeinheit
cm
Literatur
Kurztitel
Literatur
Seitenzahl
S. 30
Objekt in Ausstellung
Virtuelle Ausstellung
Bearbeitung
Bearbeiter
Anna Lisa Schwartz
Bearbeitungsstatus
Freigabe
Dokumentation
Original geprüft
Bild-URL
http://friedensbilder.gnm.de/sites/default/files/HB21839_0.tif
http://friedensbilder.gnm.de/sites/default/files/HB21839rs_0.tif
Kommentar:

Der 'Friedensbrief' erschien im Rahmen des Dankfests der Stadt Braunschweig für den Frieden von Hubertusburg.1 Die Innenseite zeigt im Zentrum Urania und Historia vor der Stadtansicht Braunschweigs. Rechts davon tritt ein Genius aus dem Friedenstempel. Die einzelnen Textblöcke sind so gruppiert, dass jede Darstellung eine Erläuterung erhält. Die Initialen stehen für Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel und Friedrich August von Braunschweig-Lüneburg-Oels. Sie finden sich ebenfalls auf HB 21843, Kapsel 1220. Darüber ist der schlafende Mars vor dem Janustempel zu sehen. Die Passage "Der wilde Krieg ist auf den Waffen Vom Kampf ermüdet eingeschlaffen" erinnert an HB 25059, Kapsel 1314, in dem Mars ebenfalls "mit seinen Waffen entschlaffen ist". Die "An Alle die den Frieden lieben" adressierte Rückseite zeigt klassische Friedensmotive wie das Schmieden von Waffen zu Ackergerät (Jes 2,4) und die Überbringung der Friedensbotschaft.

Anton August Becks Linienführung erinnert an Augsburger Kupferstiche. Zudem entspricht der Aufbau des Faltbriefs jenen, die 1730 anlässlich des 200. Jahrestages der Confessio Augustana in der schwäbischen Stadt herausgegeben worden waren (siehe etwa HB 26676, Kapsel 1248a). Beck war zwar nie außerhalb Braunschweigs tätig, sein Stiefvater und zugleich Lehrmeister stammte allerdings aus Augsburg und könnte ihn so mit der süddeutschen Kupferstichmanier vertraut gemacht haben.

ALS

  • 1. in den Braunschweigischen Anzeigen. Offizielles Regierungs- und Anzeigeblatt, 19/42 (1763), S. 193 heißt es "Bey dem Kupferstecher, Hrn. Schmidt, ist zu bekommen: ...in Kupfer gestochene Friedensbriefe."
Anmerkungen:

Im Kriege, oder bey der Friedensfeier 1763, kam der Herzog Ferdinand von Braunschweig nach Hannover. Unter den Anstalten zur Feier seines Empfanges war eine Beleuchtung der Stadt angeordnet und ein großer beleuchteter Triumphbogen. Ich entsinne mich wohl, wie den ganzen Tag über die Rede davon war, daß ich dieser Herrlichkeit zusehen sollte. Meine Geschwister erzählten mir vorher viel davon, und im ganzen Hause war eine fröhliche Erwartung, ein Treiben und Drängen zu dieser Festlichkeit. Ich fragte, jauchzte und hüpfte der Stunde entgegen. Endlich wurde ich wohl eingehüllt einer Magd auf den Arm gepackt, und nach dem Markte, wo der Hauptschauplatz war, hingetragen.

Starr sah ich nach der Feuermasse in die Ferne hin. Wie ich näher kam und einzelne Lampen unterscheiden konnte, schrie ich vor Freuden, wollte vom Arme meiner Wärterin herab, und da ich ganz nahe gekommen war, das[3] bunte Feuer sah, überfiel mich ein überirdisches Entzücken. Man hatte mich in ein rothes Mäntelchen gewickelt, auf dessen Vorderseite Schleifen von weißem Schmelz gesetzt waren. Ich erinnere mich ganz deutlich, daß ich an dem Glanze, den diese Schleifen durch die Lichtmassen von sich warfen, an der rothen Farbe des Mantels, ein eigenes Vergnügen hatte. Ich erinnere mich, als wäre es eine Geschichte von gestern, der Menschenmenge, der Pferde, der Kutschen, des hohen Triumphbogens, von dem ich glaubte, er reiche an den Himmel hinauf – der glänzenden Kirchenfenster und des Freudengeschreys, das die Volksmenge erhob. Ich hüpfte auf den Armen meiner Trägerin, und weinte und schrie laut und unaufhörlich, als mich diese deßhalb weg und wieder in unser finsteres Haus trug. Ich konnte und wollte nicht einschlafen, ich dachte mir den anderen Tag und viele Wochen nachher immer das große glänzende bunte Bild aus jener Nacht. Ich bauete lange Zeit nachher aus Stühlen und Bänken die Ehrenpforte oft wieder auf; ich setzte Lichter daneben, hing den rothen Mantel mit Schmelz wieder um, und war sehr traurig, daß dieses schöne Kleid bey meinen Lichtern zu Hause nicht so glänzend aussah als jenen Abend.

Endlich mag das Bild sich verloren haben; wenigstens erinnere ich mich nichts von allem, was in dem Zeitraume mit mir vorgegangen ist, bis ich das erste Schauspiel gesehen habe. Dieß muß im Jahre 1765 gewesen seyn.

Wie ich hier wieder viele Lichter, viele Menschen, einen großen Raum und bunte Farben auf dem Vorhange sah, so stand auf einmal jenes entzückende Bild wieder vor mir. Die Musik, das Hinaufrollen, das Verschwinden des großen Vorhanges, dünkte mich eine Zauberey. Der große, freundliche, helle Raum hinter dem Vorhange war mir unerwartet. Als er von wohlgekleideten Menschen betreten wurde, als diese sprachen, lachten, als in dem hellen Raume eine Handlung vorging wie zu Hause, so war ich ganz außer mir vor Bewunderung und Freude. Ich küßte meinen Bruder, ich sprach kein Wort, um von der himmlischen[4] Herrlichkeit nichts zu verlieren, die vor meinen Augen aufgegangen war.

Es war, glaube ich, der Kranke in der Einbildung, der den Tag gegeben wurde. Ich wollte noch den Platz angeben, wo der alte Ackermann im Schlafrocke gesessen hat; ich sehe noch den Liebhaber im grauen Kleide und grüner Weste mit Golde. Ich erinnere mich, daß es mir häßlich vorkam, daß der Vater seine kleine Tochter in Gegenwart so vieler Menschen schlagen wollte. Zum Schluß wurde das Ballet, die Judenhochzeit, gegeben. Das machte mir wenig Freude. Der große Topf, der darin zertreten wird, ärgerte mich. Es gefiel mir nicht, daß die Leute nicht sprechen wollten, so wie ich nicht begreifen konnte, und es für ungezogen hielt, daß sie in dem großen, schönen Zimmer beständig sprangen und liefen.

Der große helle Raum, auf dem alles vorging, kam mir vor, wie unsere Visitenstube zu Hause; und wie diese unverletzlich war, wie darin weder ein Topf hätte zerschlagen, noch wie die Juden hätten darin herumspringen dürfen, so kam mir das auf diesem hellen Platze äußerst unschicklich vor.

Das zierliche Benehmen der Personen, welche vorher im Schauspiele gesprochen hatten, und daß sie so einer hinter einander gesprochen hatten, dünkte mich so reitzend, so vornehm, so ehrwürdig! Man erklärte mir, daß sie das alles auswendig gelernt hätten. Nun staunte ich sie an, wie hohe, besondre Wesen.

An jedem Fenstervorhange probierte ich zu Hause das Hinaufrauschen der Zauberdecke, und das Herabsenken, das den schönen hellen Raum und die Wesen, die so zart und fein darin gewandelt waren, mir wie der genommen hatte.

Immer sprach ich von diesem schönen hellen Bilde, und war recht betrübt, daß niemand so entzückt darüber war als ich. Als nun gar einige von den Menschen, die das Bild darstellten, verächtlich sprachen, so gerieth ich in Zorn und Kummer. Ich suchte allein zu seyn, allein an das zu denken, wovon niemand in meinem Entzücken mit mir reden wollte. Ich zog heimlich die Fenstervorhänge auf und nieder, weil[5] man mich auslachte, daß ich mit diesem Spielwerke den Zauber wieder herstellen wollte.

Bis jetzt hatte die Kunst keinen Theil an meinen Empfindungen. Das helle Licht, worin alle Gestalten erschienen, hatte bloß einen angenehmen Eindruck auf meine Sinne gemacht, der in Vereinigung mit jenem ersten Eindrucke war, der mich zuerst empfinden ließ, daß ich lebe und bin.

Da ich fleißig in die Kirche geführt wurde, erinnerte man mich einst, daß es besser wäre, dem nachzudenken, was ich dort sähe und hörte, als mich an den Possen zu üben, die ich auf dem Ballhofe gesehen hätte.

Nun fiel es mir zum ersten Male ein, die Kirche mit dem Theater zu vergleichen, weil ich hoffte, da ich nicht mehr nach dem Ballhofe geschickt wurde, die Empfindung, die ich vor dem großen Vorhange gehabt hatte, dort wieder zu erneuern.

Ich freute mich auf den nächsten Sonntag, und ging rasch und munter den Kirchweg hin.

Die große Orgel und der volle Gesang gaben mir an diesem Tage ein Gefühl, das ich dabey noch nie empfunden hatte. Vorher war mir beides nur wie Lärm und Geschrey vorgekommen. An dem Tage war es anders. Aber was es war und wie es war, das konnte ich mir nicht sagen; doch schien es mir viel mehr zu seyn als die Musik in der Komödie. Nun trat der Prediger auf die Kanzel. Ich stand auf, und wollte ihn mit denen vergleichen, die aufgetreten waren, als der Vorhang sich hinauf geschwungen hatte.

Aber eben das fehlte mir bey seiner Erscheinung. Es ging kein Zauberwerk vor seinem Auftreten her. Er stand allein, er stand im Dunkeln, in einem engen Raume, bedeckt bis an die Brust und beschattet von einer aufgethürmten finstern Masse über seinem Haupte stand er da. Er sprach nicht wie andere Menschen. Er sang in einem heulenden Jammertone, niemand antwortete ihm, und Menschen waren eingeschlafen.

Wie reitzend standen dagegen die zierlichen geschmückten Lichtgestalten, welche sprachen wie andere Menschen, sich[6] antworteten und bewegten wie andere Menschen, vor meiner Einbildungskraft da!

Die nächste Nahrung für das Vergnügen, das mir so werth geworden war, empfing ich aus Hübners biblischen Geschichten. In jedem Kupfer sah ich das liebliche Bild vom Ballhofe. Auf einigen macht ein zurückgeschlagner Vorhang den Vordertheil des Bildes aus. Diese Geschichten las ich um des Vorhanges und um der Bilder willen, die daran sich reiheten, am liebsten.

 

Quelle:
Iffland, August Wilhelm: Über meine theatralische Laufbahn. Heilbronn 1886, S. 3-131.

 

 
Erstdruck in: A. W. Ifflands dramatische Werke, Bd. 1, Leipzig (Georg Joachim Göschen) 1798.
http://www.zeno.org/Literatur/M/Iffland,+August+Wilhelm/Autobiographisches/%C3%9Cber+meine+theatralische+Laufbahn

 

Ausstellungstext:

Der 'Friedensbrief' erschien im Rahmen des Dankfests der Stadt Braunschweig für den Frieden von Hubertusburg. Die Innenseite zeigt im Zentrum Urania und Historia vor der Stadtansicht Braunschweigs. Rechts davon tritt ein Genius aus dem Friedenstempel. Die einzelnen Textblöcke sind so gruppiert, dass jede Darstellung eine Erläuterung erhält. Die Initialen stehen für Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel und Friedrich August von Braunschweig-Lüneburg-Oels. Sie finden sich ebenfalls auf HB 21843, Kapsel 1220. Darüber ist der schlafende Mars vor dem Janustempel zu sehen. Die Passage "Der wilde Krieg ist auf den Waffen Vom Kampf ermüdet eingeschlaffen" erinnert an HB 25059, Kapsel 1314, in dem Mars ebenfalls "mit seinen Waffen entschlaffen ist". Die "An Alle die den Frieden lieben" adressierte Rückseite zeigt klassische Friedensmotive wie das Schmieden von Waffen zu Ackergerät (Jes 2,4) und die Überbringung der Friedensbotschaft.

Anton August Becks Linienführung erinnert an Augsburger Kupferstiche. Zudem entspricht der Aufbau des Faltbriefs jenen, die 1730 anlässlich des 200. Jahrestages der Confessio Augustana in der schwäbischen Stadt herausgegeben worden waren (siehe etwa HB 26676, Kapsel 1248a). Beck war zwar nie außerhalb Braunschweigs tätig, sein Stiefvater und zugleich Lehrmeister stammte allerdings aus Augsburg und könnte ihn so mit der süddeutschen Kupferstichmanier vertraut gemacht haben.

ALS