Der vorliegende Druck ist einer der frühesten Belege im deutschen Sprachraum für eine gedruckte Predigt, die sich – auf Deutsch und Latein – selbst als Friedenspredigt tituliert. Doch obwohl der Prediger, Paul Steinius (1585–1634), die Perikope Sir 25,1–2 wählt, die auch vielen anderen Friedenspredigten zugrunde gelegt wurde, ist seine Predigt keine wirkliche Friedenspredigt, oder hat zumindest nicht so gewirkt. Gehalten in der Hofkirche in Kassel am 22.6.1618 am Vorabend des Dreißigjährigen Krieg bei der Hochzeit eines hessischen fürstlichen Rats in Anwesenheit verschiedener Reichsfürsten, thematisiert die Predigt des reformierten Hofpredigers nicht nur das eheliche friedliche Beisammenleben, sondern auch die Einigkeit von Glaubensbrüdern. Dabei erhebt er die Forderung nach Einigkeit der Evangelischen nicht allein gegen die „Papisten“, sondern auch untereinander. Die trennenden dogmatischen Punkte, so entfaltet er, seien „von nicht so großer Importanz“. Das sahen die adressierten lutherischen Glaubensbrüder hingegen anders als er: Auf den Druck der Predigt hin, den Steinius dem Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel widmete, traten der Wolfenbütteler Hofprediger Petrus Tuckermann und der Gießener Professor Balthasar Mentzer den Aussagen über eine mögliche Einigung unter den Evangelischen entgegen, woraufhin Steinius Verteidigungsschriften verfasste. Was mit einer Festtagspredigt als Versuch, konfessionelle Unterschiede abzuschwächen begonnen hatte, endete als gelehrte Polemik mit Streitschriften von mehreren hundert Seiten.
HPJ